Diese Geschichte wurde aufgeschrieben, um Mut zu machen, sich auch für einen Hund mit Handicap zu entscheiden, in diesem Fall mit einer Erblindung.
Während eines Telefonats mit Ann-Catrin Schmidt vom Tierheim Alsfeld, einem Partner Tierheim der Tierhilfe Hoffnung, erzählte sie mir, dass in der Smeura in Rumänien ein blindes, etwa 15 Jahre altes, winziges Hündchen abgegeben wurde und nun dringend für die verbleibende Lebenszeit ein warmes Körbchen gesucht werde.
Das war im April 2020, mitten im ersten Lock Down der Corona Pandemie in Deutschland.
Schnell entschied unser Familienrat, trotz der schwierigen Situation, dem Kleinen noch ein paar schöne Monate zu bescheren. Da wir noch nie einen blinden Hund betreut hatten, nutzten wir die Zeit bis zu seiner Ankunft, um den Garten „blindengerecht“ zu sichern. Es wurde sehr dringend für den Kleinen, und schon drei Wochen später holten wir ihn in Alsfeld im Tierheim ab. Er war in einem traurigen Zustand, blind, dünn, gebrechlich, unsicher und völlig zerzaust.
Aber das sollte sich auf wundersame Weise schnell ändern:
Durch seine freundliche Art akzeptierten ihn unsere vier kleinen Hunde schnell. Mit gutem Futter, Vitaminchen und Pflege verwandelte sich unser „hässliches Entlein“ in ein weiches flauschiges, fröhliches und verspieltes Kerlchen.
Bei einer gründlichen Untersuchung in der Augenklinik wurde es dann bestätigt: Mic (rumänisch für klein), so hatten wir ihn genannt, war zwar für immer blind, aber viel jünger als geschätzt. Außerdem wurden wir gefragt, ob wir wüssten, dass Mic ein Shih Tzu ist, da seine Augen und sein Gebiss dieser Rasse entsprechen. Nein, das wussten wir nicht und fingen an, uns über diese Rasse Shih Tzu zu informieren. Und tasächlich zeigte sich Mic immer mehr wie der Shih Tzu beschrieben wird.
Mic baute Muskulatur auf und lief bald auch große Spaziergänge in Feld und Wald mit den anderen Hunden. Im Haus und Garten bewegte er sich schon sicher und lernte schnell alle Treppen und Absätze zu meistern. Besucher begrüßte er freudig und wild wie der Rest des kleinen Rudels und niemand erkannte auf den ersten Blick, dass Mic ein blinder Hund war.
Das im Tierheim Alsfeld vor ein paar Wochen entgegen genommene „hässliche Entlein“ wurde nicht zum Schwan, wie im Märchen, sondern zu einem seidigen kleinen munteren selbstbewussten Shih Tzu. So schön, wie das für uns war, merkten wir auch, dass es ihm auf die Dauer schwerfallen würde, sich in das vierköpfige Rudel einzugliedern.
Wir beschlossen also doch, nach einem Zuhause für ihn zu suchen, wo er die Nummer eins sein könnte, und kurz darauf kam wieder mal der Zufall ins Spiel:
Familie Koob rief an, um sich nach einem Welpen zu erkundigen, der zu dieser Zeit bei uns in Pflege war. Im Gespräch wurde allerdings schnell klar, dass Mic womöglich genau das war, was sich die Familie wünschte. Der Zufall zeigte außerdem, dass der kleine Hund der Tochter, der auch dabei war, sich auf Anhieb nicht mit dem Welpen verstand. Nach anfänglichem Zögern, schauten die Familie auch Mic an und – verliebte sich sofort in ihn. (Dagmar Mengel)
Später schrieb die Familie, die Mic adoptiert hatte, folgenden Text:
Ein blinder Hund? Warum habt ihr Euch denn einen Pflegefall geholt?
Diese Frage hat man uns das ein oder andere Mal gestellt, nachdem wir uns dafür entschieden hatten, den kleinen Shih Tzu Rüden Mic von der Tierhilfe Hoffnung bei uns aufzunehmen.
Die Tatsache, dass Mic blind ist, war für uns jedoch weder ein Pro noch ein Contra Kriterium gewesen. Eigentlich waren wir wegen eines anderen Hundes zur Pflegestelle angereist, entschieden uns aber letztendlich für Mic, weil hier eben die Chemie stimmte.
Kaum jemand, der uns seitdem begegnet, hat Mics Blindheit auf Anhieb bemerkt. Seine offene und entspannte Art jedem Fremden gegenüber lässt das eben nicht vermuten.
Auch der Alltag mit Mic gestaltet sich nicht so, als müsste man einen Pflegefall betreuen, sondern eher so, wie mit jedem anderen Hund.
Dass wir auf dem Land leben, ist hier natürlich sehr hilfreich, denn starken Autoverkehr und Straßenlärm gibt es hier nicht.
Wenn man ein einigermaßen geräuscharmes Umfeld hat, kann man mit Mic sogar ohne Leine Gassi gehen, da er unseren Signalen sehr zielstrebig folgt. Auf einem Schotterweg z.B. reicht das Knirschen des Splits aus, und Mic folgt einem auf Schritt und Tritt.
Anderen Hunden gegenüber ist er sehr aufgeschlossen, allerdings muss man als Begleiter besonders vorausschauend agieren, da einem blinden Hund ja die Möglichkeit fehlt, Körperhaltung und damit verbundene Signale des anderen Hundes zu sehen. Wir machen das so, dass wir den Halter des anderen Hundes direkt auf Mics Blindheit hinweisen, damit auch er entsprechend reagieren kann und die Kontaktaufnahme besonders aufmerksam verfolgt. Stimmt die Chemie und damit die anderen Sinne, kann auch ein blinder Hund sehr ausgelassen spielen, was Mic seither mit dem kleinen Chihuahua Fluffy unserer Tochter unter Beweis stellt.
Mic ist nun schon 5 Wochen bei uns und seitdem wirklich sehr aufgeblüht. Sein ganzes Verhalten zeigt uns, dass er sich sehr wohlfühlt und wir haben die Entscheidung für ihn nicht einen Tag bereut.
30.09.20, Anja & Olaf Koob
PS: Bis zum Ende des Jahres 2020 ging es weiter bergauf mit Prinz Mic, auch wenn er sich zu Beginn des Wohnungswechsels ein bisschen mehr zurückgezogen hatte. Sein Alter wird ein Rätsel bleiben. Wichtig ist nur, dass Mic die Nummer 1 bei Familie Koob geworden ist. Als Dagmar noch mal zu Besuch kommt, freut er sich zwar sehr, aber er würde nicht im Traum daran denken, wieder zu ihr zurück zu gehen. Es ist jetzt völlig selbstverständlich für ihn, dass er bei seiner Familie angekommen ist. Als die Familie erneut gefragt wird, ob sie sich wieder für Mic entscheiden würde, ist die Antwort ganz klar: Auf jeden Fall! Jeden Tag gibt es wieder etwas Neues, das Mic dazu lernt und mit dem er der Familie Freude macht.
Zusammenstellung und Bearbeitung: Gabriele Ullrich