Wie das „Vögelchen“ ihr Schicksal in die Pfoten nahm

Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern, als ich im November 2020 ein Bild und ein kurzes Video von einer zuckersüßen und doch etwas ängstlichen Hündin erhalten habe. Zu dieser Zeit hielt sich das Vögelchen -wie wir sie mittlerweile liebevoll nennen- in dem rumänischen Tierheim „Smeura“ auf.

Da wir bereits unseren geliebten und einzigartigen Handicap-Hund Toni aus der Smeura adoptiert haben, verschlang ich das kurze Video des Vögelchens, gerade weil sie -wie auch Toni- ein Dreibeiner ist. Mit ihren 2.5 Jahren ist Malu nämlich im September 2020 verunfallt in Pitesti (Rumänien) aufgefunden worden. Um ihr Leben zu retten, blieb den wundervollen Ärzten damals nichts anderes übrig, als das verletzte Bein zu amputieren.

Da wir als offizielle Pflegestelle einen Platz frei hatten, fiel die Entscheidung sehr schnell, das Vögelchen bei uns aufzunehmen. Schließlich kam der langersehnte Tag, auf den wir euphorisch gewartet haben. Malu kam am 03.12.2020 mit weiteren Fellnasen im Tierheim Alsfeld an. Den Namen „Malu“ erhielt das wundervolle Wesen übrigens von einer guten Freundin.

Bevor sie zu uns einzog, besuchte ich sie zunächst im Tierheim. Dort lebte sie in einer gemischten Hundegruppe, in der sie sich von Beginn an wohlfühlte. Vor uns Menschen dagegen zog sie sich zurück und vermied den Kontakt weitestgehend. Auch zeigte Malu deutlich, dass sie gar nichts von einem gemeinsamen Spaziergang mit mir hielt. Nach kurzer Zeit legte sie sich aus Protest einfach auf den Boden und die Angelegenheit schien somit für sie abgehakt.

Knapp zwei Wochen nach ihrer Ankunft in Deutschland zog sie am 18.12.2020 bei uns ein. Sie integrierte sich schnell in unsere Hundegruppe und orientierte sich dabei gut an den anderen Fellnasen.

Doch nicht nur im Kontakt zu den Vierbeinern taute sie rasch auf, auch zu uns Menschen fasste sie schnell Vertrauen und verlor ihre Berührungsängste. Spazieren gehen war ab dem zweiten Tag schon kein Problem mehr und zu unserer Freude suchte Malu inzwischen sogar von sich aus immer öfter den Kontakt zu uns. Nach kurzer Zeit war sie also nicht nur gut in unseren Alltag, sondern auch in unsere kleine „Hund-Mensch-Familie“ integriert. Wir fingen also langsam an, sie an weitere Umweltreize zu gewöhnen, was ebenfalls gut funktionierte. Bei Aufeinandertreffen mit fremden Menschen blieb Malu zwar nach wie vor skeptisch und wirkte nicht begeistert, jedoch entzog sie sich den Situationen auch nicht völlig. Besuch bei uns Zuhause wurde von Malu – wie auch von unseren restlichen Hunden – entspannt gesehen. Einer Vermittlung stand also nichts mehr im Wege. Es fand sich eine Familie, die Malu über einen Zeitraum von knapp sieben Wochen kennenlernte und sich entschied, Malu gerne adoptieren zu wollen.

Dann endlich kam der große Tag: Malu durfte in ihr „Für-immer-Zuhause“ ziehen!

Für mich – wie jedes Mal, wenn es an diesen Punkt kommt – keine einfache Situation. Aber so ist es eben bei einer Pflegestelle. Die Tierchen bleiben nur vorrübergehend, bis sie ein „Für-immer-Zuhause“ gefunden haben. Es gibt noch so viele Fellnasen, die ein Sprungbrett in ein neues Leben benötigen. Natürlich denke auch ich darüber nach, ob ein Pflegehund vielleicht für immer bei mir bleibt – ja, der Gedanke kommt immer wieder, ABER wir sind ja nur eine Pflegestelle und uns ist von Vornherein klar, dass der Hund nur vorübergehend bei uns bleiben kann. Schließlich gingen wir diesen Weg auch bei den vorherigen Pflegetieren erfolgreich – so sollte also auch für Malu die Reise weitergehen, natürlich mit der festen Überzeugung, dass dies hoffentlich der letzte Umzug in ihrem Hundeleben wird.

Am Tag des Umzugs verlief alles problemlos. Malu sprang ohne zu zögern in den Kofferraum des Autos der Familie und war offenbar neugierig und gespannt auf den neuen Lebensabschnitt, der sie von nun an erwarten sollte. Auch die ersten zwei Wochen in der neuen Familie gestalteten sich gut. Es schien, Malu hätte ihr endgültiges Zuhause gefunden, was ich ihr von Herzen gönnte. Danach allerdings veränderte sich die Situation überraschend. Malu zeigte Verhaltensmuster, die wir so bisher nicht von ihr kannten. Dazu kam, dass sie sich immer mehr zurückzog und auch die Lebensfreude, die sie bei uns stets an den Tag legte, war wie verflogen.

Nach gut 7 Wochen beschloss die Familie schließlich, Malu zurück ins Tierheim zu bringen. Wir überlegten alle, wie es weiter gehen sollte… Gemeinsam mit meinen Freunden und meinem Lebensgefährten wägte ich ab und sobald dieses Thema zur Sprache kam, überrollten mich regelmäßig die Gefühle. Was ist richtig, was ist falsch? Habe ich überhaupt das Recht, es zu entscheiden?

Und dann, dann kam der Tag, an dem keiner von uns mehr eine Entscheidung treffen musste, weil Malu mir die Entscheidung einfach abnahm. 

Drei Tage nachdem Malu abgegeben worden war, besuchte ich das Tierheim. Ich wusste von ihr, sie von mir nicht. Ich war schon eine Weile vor Ort, als Malu mich sah. Sie war sofort aufgeregt, sprang am Gitter hoch, freute sich. Ich ging auf sie zu und sprach sie an. Sie wusste gar nicht, wohin mit sich. Ich ging zu ihr in den Auslauf, sie drehte sich, quietschte, legte sich hin, sprang an mir hoch, ein reines Gewusel. Mich überrollten wieder meine Gefühle, die Tränen flossen. Da hat wohl jemand seine Entscheidung getroffen. Wir waren noch eine Runde im Freilauf und tobten wie früher umher. Da war es wieder – das Lachen in ihrem Gesicht.

An diesem Tag fuhren wir gemeinsam nach Hause, ein Adoptionsvertrag mit im Gepäck.

Herzlich willkommen Vögelchen und dieses Mal wirst du für immer bleiben.