Grüße von Antonia

Marburg, den 14.03.2014

Hallo liebe Freunde im und um das Tierheim Alsfeld,

Heute bin ich genau seit einem Jahr Einwohnerin von Marburg – mit Migrationshintergrund. Ich habe einen langen Weg hinter mir und musste mich viel ausruhen. Ich habe mich als Welpe in einem Schulhof in Rumänien durchgeschlagen und wurde dann in die Smeura, das größte Tierheim der Welt, abgeschoben. Nach fast drei Jahren gab es eine Mitfahrgelegenheit nach Alsfeld in das dortige Tierheim. Auch wenn die Fahrt schrecklich war, war das der Anfang von meinem Glück. Nach ein paar Wochen haben mich meine Menschen nach Marburg geholt und das war wohl die größte Umstellung meines Lebens: Straßen, Haus, Wohnung, Zimmer, Menschen, die alle so furchtbar nett zu mir waren, und ich wollte nur eins:

Ausruhen – tagelang, wochenlang …. und ich durfte das. Trotzdem wäre ich gern einfach weggelaufen …. aber das durfte ich nicht.

Kennenlernen:
Neben der neuen Umgebung, dem neuen Essen und dem Autofahren habe ich auch neue Hunde kennengelernt. Der erste war mein Tagesbruder Jacky, aber mit dem war ich schon vorher ein paar Mal spazieren gegangen. Ich habe ihm immer den Vortritt gelassen, denn er kannte sich ja bei meinen Menschen besser aus, und er war vorher auch im Tierheim Alsfeld, so dass ich mich bei ihm nach vielen Dingen erkundigen und von ihm lernen konnte. Die anderen Hunde in der Stadt sind manchmal komisch, sie kennen oft noch nicht mal die Hundesprache.

Training: „Sitz“
Zuerst habe ich mit einer netten Frau und meinen Menschen geübt zu verstehen, was sie von mir wollten. Aber das war sehr schwierig. Vor allem musste ich immer zurück kommen – erst in der Wohnung, dann draußen an der Leine und schließlich an der Schleppleine. Als sie dann die Leine losgelassen haben, musste ich gleich mal nachgucken, was dahinter war. Dahinter war die Straße, über die ich schnell gelaufen bin. Und dann immer den Gehsteig entlang, den ich ganz für mich allein hatte! Zum Schluss habe ich dann doch gewartet, dass meine Menschen mich einholen konnten. Ich sollte „Sitz“ lernen, aber das fand ich ganz unbequem. Es ist ja viel schöner, sich hinzulegen, die Beine übereinander zu schlagen und abzuwarten was passiert. Schließlich hab ich’s dann doch gelernt, das „Sitz“, aber nicht gegen Leckerli. Ich hab mich am Ende des Rückens streicheln lassen, und dann hab ich’s mir bei Jacky abgeguckt, was er macht, wenn die Menschen „Sitz“ sagen. Aber Hundeschule macht mir jetzt großen Spaß mit der Gruppe von Kumpels aus dem Tierheim und die freuen sich genauso wie ich, wenn wir so richtig lossausen dürfen. Es ist zwar ein Zaun am Ende – und bisher habe ich auch kein Loch gefunden – aber wir können ganz schön weit laufen bevor der Zaun kommt.

Spielen lernen:
Spielen – das ist für mich ein Fremdwort, in allen Sprachen, die ich gehört habe. Das einzige Spielzeug, das ich interessant finde, habe ich mir selber mit nach Hause gebracht. Es ist ein Stock, den ich gefunden habe, auf dem hatten schon viele andere Hunde drauf rum gebissen. Ich hole ihn mir immer wieder hervor und knabbere daran herum. Meine Menschen haben aber Angst bekommen, dass ich mich daran verschlucken könnte. Am liebsten spiele ich mit anderen Hunden. Wenn sie nett sind, sausen wir zusammen über eine Wiese. Wenn allerdings kein Zaun am Ende der Wiese ist, dann ich kann ich mich auch heute noch nicht beherrschen und laufe weiter, um zu sehen, wo die Freiheit zu Ende ist. Dann rufen meine Menschen nach mir immer lauter, und ich verstecke mich unter den Büschen am Rand der Wiese. Wenn sie dann weitergehen, laufe ich ihnen doch hinterher – aber erst noch ein bisschen die Freiheit unter den Büschen genießen ….

Leben und reisen lernen:
Meine Menschen reisen manchmal und sie fahren mit dem Auto. Im Kofferraum ist viel Platz für mich. Manchmal fahre ich mit Jacky zusammen zur Hundeschule. Ich habe auch schon mal andere Kumpels aus dem Tierheim mitgenommen, die sich auch erst an das Auto gewöhnen müssen. Inzwischen finde ich’s ganz gemütlich. Ich kann ja immer wieder aussteigen und spazieren gehen. Manchmal bin ich dann in ganz fremder Umgebung, in Bergen oder an der See oder in einem Hotel. Ich habe mich schon dran gewöhnt, aber ich bin immer noch sehr vorsichtig und habe Angst, dass mir und meinen Menschen etwas passiert. Ihr seht also ich bin weiter gegangen seit ich bei Euch ausgezogen bin – ein weiter Weg und ich muss immer noch lernen und mich ausruhen.

Aber auch der Weg vor mir ist lang – so hoffen meine Familie und ich jedenfalls. Leben ist immer Migration – weil Leben heißt sich regen, weil Leben wandern heißt. So wollen wir auch weiterhin Geduld miteinander haben, denn vieles werde ich nicht mehr an mir ändern können und meine Leute auch nicht. Wir sind wie wir sind – sagt die Liebe.

Vielen Dank, dass ich bei Euch Station machen durfte und Ihr meine Menschen für mich gefunden habt. Ich wünsche das Gleiche auch den vielen anderen Hunden, die zu Euch kommen. Liebe Grüße Eure Antonia